Specialized Diverge STR Test: Future-Shock Fully - Rennrad-News

2023-01-05 16:53:55 By : Mr. Jun xin

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Das Specialized Diverge STR im ersten Test: Das Diverge Gravel Bike wird zum Future Shock-Fully. Aber nicht das Hinterrad ist gefedert, sondern wie beim Future Shock 2.0 arbeitet die Federung nur für die Fahrer. Die Technik ist ein Blickfänger und hat es auch konstruktiv in sich. Wir konnten an 2 Tagen auf Schwarzwald-Schotterpisten erfahren, wie sich der immense Entwicklungs-Aufwand und die nicht ganz billige Anschaffung auszahlen.

In unserem letzten Specialized Diverge Test berichteten wir noch über den hohen Komfort des Gravel Bikes am Sattel, auch im Vergleich mit anderen gefederten Gravel Bikes. Doch Specialized wollte mehr: Die Piloten am Heck genauso vom den Schmerzen der Schotterwege befreien, wie es die Kalifornier am Lenker mit ihrer Future Shock 2.0 Federung vormachen – letztere überzeugte uns sowohl am Specialized Roubaix wie auch am Diverge mit ihrer einzigartigen Kombination aus feinem Ansprechen und Neutralität im Fahrverhalten. Auftritt: das neue Specialized Diverge STR, das erste Future Shock Fully. Nach Specialized-Tests soll es die Vibrationen am Sattel noch einmal um 20 % gegenüber dem bisherigen Diverge mindern. Wie sich das aufs Fahren auswirkt, sollte unser Test klären. Doch zunächst die Eckdaten:

Preise S-Works Diverge STR SRAM Red AXS 1×12 Mullet | 15.000 € Diverge STR Pro SRAM Force AXS 1×12 Mullet | 9.500 € Diverge STR Expert SRAM Rival AXS 1×12 Mullet | 7.500 €

Das neue Diverge STR sieht auf den ersten Blick ganz anders aus. Was man im hinteren Rahmendreieck sieht, ist dabei nur die „Spitze des Eisbergs“. Denn im Inneren des neuen Carbonrahmens haben die Kalifornier die komplett neue Future Shock-Federtechnik für den Sattel versteckt. Davon abgesehen ist das Diverge STR aber ganz das alte Diverge mit all seinen Vorzügen. Die bewährte Geometrie mit dem geerdeten Fahrverhalten und der hervorragenden Kontrolle auf Schotter hat Specialized (zum Glück) beibehalten. Ebenso gibt es das SWAT-Staufach und die vielfältigen Montagemöglichkeiten fürs Bikepacking oder die große Reifenfreiheit, die es schon bei unserem ersten Test 2021 zu einem überzeugendem Adventure Gravel Bike machten. Nicht vorhanden sind dagegen Anbaumöglichkeiten für Schutzbleche oder Träger hinten.

Aber natürlich soll die Future Shock Voll-Federung – nennen wir sie kurz „Doppel-FS“ – den Komfort on- und vor allem offroad noch einmal auf ein neues Niveau heben. Passend zu den gesteigerten Offroad-Qualitäten haben die Kalifornier den Carbonrahmen deshalb noch etwas robuster ausgelegt, was ihn 100 g schwerer machen soll als den Vorgänger. Hinzu kommt noch das Gewicht für die Federkomponenten. Damit ergeben sich laut Specialized am Ende 400 g Mehrgewicht zum bisherigen Diverge-Rahmenset. Testen konnten wir das Ganze am Specialized Diverge STR Expert, dem Einstiegsmodell der 3 neuen Gravel Bike-Modelle mit SRAM Rival 1×12, für das gleichwohl mit 7.500 € ein richtig stolzer Preis aufgerufen wird.

Etwa so steinig wie die Unbound Gravel-Route war laut Specialized der Weg zum neuen Future Shock Rear am Specialized Diverge STR. Der Grundsatz, die Fahrer, nicht das Rad vom Untergrund zu entkoppeln, stammt von Chris d’Alusio (ja, der Ingenieur, der auch der spezifischen Alu-Rahmenverarbeitung bei Specialized ihren Namen gab und hinter vielen Innovationen eines anderen US-Herstellers steckt). Das Diverge STR überträgt das Prinzip jetzt konsequent auf den Sitzkomfort.

Allein 325 Testrahmen baute man, um das Prinzip auch am Sattel zum Leben zu erwecken. Prototypen wurden entwickelt und verworfen, Prüfprotokolle mussten neu erdacht werden, bis das Bike so dastand wie das Testrad. Was Future Shock Rear kann, ist jetzt einfach gesagt:

Wie das Future Shock Rear genau funktioniert, ist einen kleinen Exkurs wert, den ihr hier lesen könnt oder hier überspringen, wenn euch nur interessiert, wie es sich damit fährt.

Es wurde schon angedeutet: Der Weg zum Doppel-Future Shock war für Specialized keine glatte Autobahn. Nicht einmal, dass es kein Fully werden würde, war von vorneherein klar. Specialized hat die Möglichkeiten zum Carbon-Rahmen-Prototypenbau im Haus und nutzte sie. Erste Versuche mit vollgefederten Testrahmen brachten zu hohe Gewichte und nicht das direkte Rennrad-Fahrgefühl, das unbedingt gewahrt bleiben sollte.

Für den Entwicklungs-Ingenieur Chris d’Alusio stand fest, dass das Gravel Bike von den Reifen her gedacht werden musste: schmale Reifen, kleinere und schnellere Stöße, wie sie für Gravel typisch sind, verlangten nach einer Lösung mit schnellerem und feinerem Ansprechverhalten, als es mit einer Teleskop-Federgabel möglich sei, sagte er uns. Dennoch galt es, die Federung perfekt auf die Fahrer*innen einstellbar zu machen und eine Dämpfung gegen das Wippen zu besitzen. Eine flexende Carbon-Sattelstütze beispielsweise, von der es am Diverge ja bereits eine gelungene Auslegung gibt, funktioniert immer nur für bestimmte Fahrergewichte perfekt.

Das jetzt am Diverge STR präsentierte Future Shock Rear trägt den Fahrergewichten mit einem Kunstgriff Rechnung. Es besitzt sozusagen ein Sitzrohr im Sitzrohr, das unten geklemmt ist. Darin wiederum ist oben die ganz normale Sattelstütze mit 27,2 mm Durchmesser geklemmt.

Specialized nennt das Sitzrohr im Sitzrohr „Framepost“. Diese Framepost aus Carbon ist die Feder des Systems. Wie stark sie nachgibt, hängt von 2 äußeren Einflussfaktoren ab: erstens dem Gewicht auf dem Sattel und zweitens auch der Länge des Auszugs der Sattelstütze, dem Hebel. Wie man sich denken kann, ist die Bandbreite hier groß. Kleine Fahrer mit geringem Gewicht und geringem Auszug sollen genauso gut gefedert werden wie große mit langem Auszug und alle dazwischen. Deshalb gibt es laut Specialized 7 Härten der Framepost. Jedes Diverge STR wird mit 2 Frameposts ausgeliefert. Und dann gibt es noch einen Clou: Durch Umdrehen im Rahmen kann die Framepost-Härte noch einmal in 2 Stufen hin- und her-gewechselt werden. Ein- und dieselbe Framepost kann also härter oder weicher eingestellt werden.

Die Framepost ragt etwas aus dem Verkleidungs-Sitzrohr hervor, um den Kontakt zum Dämpfer herzustellen. Eine hervorragend gemachte Gummi-Abdeckung schützt das Innere vor Schmutz und Wasser – an zwei Testtagen unter widrigsten Bedingungen lief das System absolut geräuschfrei, was wir nicht einmal von jeder herkömmlichen Carbon-Stützenklemmung sagen können, die wir schon an Testrädern fanden.

Nun soll die optimal eingestellte Framepost nicht unkontrolliert hin- und herschwingen. Das kann zum Beispiel zu Wippen im Sattel führen. Also muss ein Dämpfer her. Den hat Specialized im Oberrohr untergebracht. Er ist geschlossen und arbeitet ausschließlich mit Öl. Über einen Hebel lässt sich die Ausfederrate 3-stufig verstellen. Von ganz offen bis nahezu geschlossen. Damit wird bestimmt, wie träge das System auf Druck von oben (unrunden Tritt bei hohen Kadenzen) oder unten (Steine) reagiert.

Wie schnell die Framepost nach einem abgefangenen Stoß wieder zurückfedert, lässt sich ebenfalls einstellen (Rebound), allerdings nicht vom Sattel aus, sondern dazu wird ein Inbus-Schlüssel benötigt. Laut Specialized ist eine Verstellung des Rebounds in den meisten Fällen nicht nötig.

Specialized verspricht, dass man im Labor nicht die Lebensdauer-Grenze des Dämpfers erreichen konnte, dennoch gilt für ihn die gleiche 2-jährige Garantie wie für das ganze Bike.

Wie sich der hohe konstruktive Aufwand gelohnt hat, wollte Specialized auch an Zahlen belegen. Dafür stattete man das alte Diverge und das neue Diverge mit identischer Ausstattung an den relevanten Punkten mit Sensorik aus und ließ verschiedene Fahrertypen die immer gleiche Gravelrunde fahren, einmal mit feinem Gravel, einmal auf grobem Schotter. Ergebnis: Im Schnitt reduziert Future Shock Rear die Vibrationen am Sattel um 20 %.

Schaut man sich die Auslenkung des Sattels in den Specialized-Grafiken genauer an, fällt erwartungsgemäß auf, dass das neue STR-System Stöße viel stärker ausgleicht, also mehr Bewegung vollzieht. Was aber ebenfalls sichtbar wird, ist, dass die vielen kleinen Schläge nahezu ganz herausgefiltert werden, was für die Sensibilität des Systems spricht.

Mit drei Varianten startet das neue Specialized Diverge STR in das neue Modelljahr. Dabei dürfte der Einstandspreis von 7.500 € für das günstigste Diverge mit Future Shock Rear für Viele schon eine bittere Pille sein. Grundsätzlich gibt es gefederte Gravel Bikes zu dem Preis schon mit deutlich höherwertiger Ausstattung.

Zu unserem Test von 4 gefederten Gravel Bikes

Zum Ausgleich gibt es ein Novum bei Specialized: nämlich den gleichen Fact 11r-Carbonrahmen wie beim Specialized S-Works Diverge bis „hinunter“ zum Expert-Niveau, mithin also das beste Carbon, das die Kalifornier am Diverge zu bieten haben in allen Klassen. Selbstverständlich ist auch das Future Shock-System an allen Bikes identisch. Und auch die restlichen Details wie das praktische SWAT-Staufach im Unterrohr für Haribos und Windjacke (beispielsweise) oder den ausgezeichneten Rahmenschutz haben alle STR-Modelle gemeinsam.

Alle Diverge STR 2023 kommen zudem durch die Bank mit SRAM 1×12 AXS Funk-Schaltgruppen. Für 2-fach-Antriebe ist der Rahmen nicht vorgesehen. Gemeinsam ist allen Varianten dabei auch der Mullet-Antrieb, der für hohe Klettertauglichkeit sorgt: Die 1-fach-Kurbel der jeweiligen Road/Gravel-Gruppe ist mit einem MTB-Schaltwerk auf vergleichbarem Niveau sowie MTB-Kassette in 10-50 kombiniert (11-50 bei SRAM Rival). Damit ist man auch für lange und steile Offroad-Kletterpartien okay gerüstet, wie ich im Schwarzwald zur Genüge erfahren konnte. Es ging auf die höchsten Berge der Region (Kiebis), mit langen Abschnitten mit 8 bis 10 Prozent und Steilstücken bis 16 Prozent – an letzteren habe ich mich dann doch dabei erwischt, wie ich am Schalthebel einen noch leichteren Gang einlegen wollte.

Lange „Zufahrten“ auf Asphalt in der Gruppe stellen mit den großen Gangsprüngen weniger eine Paradedisziplin des Diverge STR dar. Bei unserem Expert Testrad mögen Tempobolzer auch das 10er Ritzel in der Ebene vermissen.

Interessanterweise greift Specialized auf die Wide-Versionen der SRAM-Kurbeln zurück, was einen 5 mm breiteren Q-Faktor mit sich bringt. Die wichtigsten Ausstattungs-Merkmale:

Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Ausstattungs-Niveaus machen wie üblich die Schaltgruppen sowie die verwendeten Laufradsätze aus. Die leichteste Schaltgruppe ist mit der SRAM Red eTap AXS natürlich dem S-Works Diverge STR vorbehalten. Dagegen bringt die SRAM Rival eTap AXS am Testrad schon einiges an Mehrgewicht mit, was auch einen Gutteil des höheren Komplettrad-Gewichts erklärt. In Sachen Schalt- und Bremsfunktion bedient die Rival AXS-Gruppe auch anspruchsvollere Pilot*innen so, wie sie es sich wünschen und punktet mit der konkurrenzlos intuitiven Schaltlogik. Obwohl die Testfahrten unter miesesten Bedingungen, mit jeder Menge Wasser von oben und Dreck von unten stattfanden, lieferte die Rival jederzeit exakte und sanfte Wechsel.

Ähnliches gilt für die Roval-Laufradsätze, die ebenfalls mit Gewicht und Qualität der Naben abnehmend verbaut sind. Löblich (und dem Preis angemessen): An allen Bikes gibt es die breiten Carbonfelgen mit 25 mm Maulweite und robuste DT Swiss-Naben. Letztere in der 370er-Variante am Expert überzeugten mit schnellem Eingriff und leisem Freilauf.

Ebenfalls wiederholt sehr gut gefielen mir die Specialized Power Sättel am Diverge STR. An einem Tag konnte ich den noch recht jungen Power Mirror Pro Sattel fahren, der die 3D-Druck-Technik des S-Works Power Mirror aus unserem Test in eine günstigere Version mit Ti-Sattelstreben überführt – mit dem gleichen guten Gefühl, einerseits gut gestützt und ohne Druckstellen zu sitzen und von mehr Komfort als beim Power ohne Mirror zu profitieren. Noch eine Komfort-Tuning-Möglichkeit, also.

Eine separate Erwähnung wert ist noch die Sattelstütze: Sie soll ausdrücklich nicht zur Stoßdämpfung beitragen. Das würde die kontrollierte Federung des Future Shock konterkarieren. An allen Diverge STR kommt deshalb hier die (leichte) S-Works FACT Carbon-Stütze mit 20 mm Versatz zum Einsatz. Dank des gängigen 27,2 mm-Maßes sind Alternativen für den perfekten Fit leicht und ohne Komforteinbußen zu wählen.

Wer weiterhin das vertraute Diverge ohne Future Shock hinten fahren will und Carbon als Rahmenmaterial bevorzugt, ist auf das Diverge Comp und das Diverge Expert festgelegt. Die 2 neuen S-Works- und Pro-STR-Modelle lösen die gleichnamigen aktuellen Bikes nach und nach ab. Das „Comp“ mit SRAM Rival 1×12 für 4.900 € ist dann das günstigste Carbon Diverge ohne das neue Feature. An den weiterhin laufenden Diverge E5 Alu Gravel Bikes kommt Future Shock Rear naturgemäß nicht zum Einsatz.

Wie Specialized das „Fahrwerk“ und die Sitzposition des Diverge auslegt, nahm uns schon beim Debüt der aktuellen Generation des Gravel Bikes vor 2 Jahren ein. Und daran hat sich nichts geändert, denn alles bleibt in dieser Hinsicht beinahe ganz genau so, wie es war: ausgewogen und mit einer leicht aufgerichteten Sitzposition gut für die Langstrecke gerüstet, mit betont satter Lage dank niedrigem Schwerpunkt und einer Lenkung, die nach Gravel-Maßstäben agil ist, aber auf Schotter genau das richtige Maß an Hilfe beim Spurhalten bietet.

Alles beim alten auch bei meinem Lob für den Specialized Hover-Lenker am Testrad, der für mich in Sachen Gravel-Lenker für längere Touren den Nagel auf den Kopf trifft: am Oberlenker betont aufrecht, nicht zu frontlastig beim Griff an die Bremshebel (der ja gerade auf Abfahrten ansteht) und weit nach hinten gezogenen für komfortables Unterlenkerfahren.

Auch die Kettenstreben treffen mit 425 mm in etwa die goldene Mitte der Gattung „Gravel“ und tragen dazu bei, dass man das Diverge nach wie vor schön mit Gewichtsverlagerung um die Kurven drücken kann oder leicht Gewicht auf das Hinterrad bekommt, wenn es bergab geht.

Soweit so bekannt und gut – alle Details könnt ihr in unserem Test des Diverge 2021 noch einmal nachlesen oder hier in unserem Tool „Geometrics“ noch mit anderen Gravel Bikes vergleichen.

Aufmerksame Betrachter werden gesehen haben, dass der Sitzwinkel etwas steiler ist. Das gleicht das leichte Einfedern des Future Shock Rear beim Aufsitzen aus. Aus gleichem Grund empfiehlt Specialized auch, den Sattel etwas mehr zu neigen und nicht horizontal auszurichten, wie gewohnt.

Eine kleine echte Änderung gibt es noch: Das Tretlager wanderte wieder 5 mm nach unten. Mit 85 mm Tretlager-Absenkung liegt das Diverge STR tiefer als die allermeisten Gravel Bikes und ist wieder auf dem Niveau des Diverge der ersten Generation angelangt. Auf schnellen Abfahrten mit weiten Kurven ist das als Fahrsicherheitsfaktor deutlich zu spüren. Aber andererseits kam es bei den Testfahrten auch vereinzelt zu Pedalaufsetzern auf sehr groben Trails mit Fahrrinnen und Schotterbrocken. Ich ziehe das konkurrenzlos geerdete Abfahrtsgefühl der Bodenfreiheit vor. Damit direkt zum Fahreindruck.

Eine auch optisch derart radikale Neuerung wie am Diverge STR schürt natürlich besondere Neugier aufs Fahren. Kann es in dem Maß den Gravel Fahrspaß steigern, wie das Aussehen und der Technik-Aufwand versprechen?

Etwas gedämpfte Vorfreude bewirkt bei einem Roadie und Graveller die Aussicht, zunächst eine Federung einzustellen – denn die Einstellmöglichkeiten sind ja im Grunde nicht anders als bei einem MTB-Stoßdämpfer. Aber die Sache ist nicht so kompliziert wie eine Mountainbike-Federung, wo viel Federweg und unterschiedlichstes Terrain vom Kieselstein bis zum Ein-Meter-Drop auch bedachte Abstimmung verlangt.

Im Grunde ist es sogar ganz einfach. Ich bekam das Diverge STR Expert so wie ich es auch beim Händler bekommen hätte: mit Framepost 3 in Stellung 40, (weicher) umstellbar auf 48 (härter). Ich setze mich drauf, korrigiere die Sattelnase nach Gefühl etwas nach unten, drehe eine Check-Runde über den Parkplatz – und bin spontan angetan. Schon auf den kleinen Kanaldeckelkanten der Mini-Runde sind zwei Eigenheiten des Future Shock Rear sofort spürbar:

Damit kann ich eigentlich gleich losfahren, erst mal keine weiteren Einstellungen nötig.

Nächster Punkt: Straßenanfahrt Richtung Gravel in der Gruppe. Ich nehme zur Kenntnis, dass das Diverge STR Expert agiler wirkt, als sein doch stattliches Gewicht erwarten lässt. Harte Antritte aus dem Sattel beim Lückenschließen quittiert es spontan. Vielleicht liegt es an der geänderten Erwartungshaltung aufgrund des „vollgefederten“ Fahrgefühls, dass das klassische Fahrgefühl eines sportlichen Gravel Bikes mich an dieser Stelle etwas überrascht. Dazu beitragen dürfte aber auch der Roval Terra C Carbon-Laufradsatz mit seinen vergleichsweise leichten Felgen, die das Handling flink machen. Dass die Future Shock 2.0 Federung an der Front mich auch im Spurt nicht stört, wusste ich schon aus anderen Testfahrten.

Beim Roulieren auf glattem Grund bleibt Ruhe im Sattel, wie man es sich wünscht. Nur beim schnellen Pedalieren oberhalb von 90er Trittfrequenzen mit wenig Druck stelle ich eine leichte Wippneigung fest. Ein schneller Griff an den Hebel unterhalb des Sattels beseitigt diese, macht das Fahrgefühl aber auch härter.

Der große Moment des Diverge STR mit Future Shock Full Suspension schlägt im ersten langen unwegsamen Gravel Anstieg. Sitzenbleiben und Durchtreten lautet die Devise, zumal es darum geht, auf den Regen durchtränkten Wegen des Schwarzwaldes Traktion zu behalten. Hier schont Doppel-FS merklich die Reserven. Statt jede Spurrille, Mini-Wurzel und Gravelklumpen mit leichtem, aber wohldosiertem (Traktion!) Aus-dem-Sattel-Gehen auszubalancieren, bleibt man einfach sitzen. Ein paar Lenkkorrekturen spart man sich auch, weil die Stöße weniger Unruhe ins gesamte Bike bringen. Das ist so viel leichter, das muss einfach Kraft sparen, und wenn nicht das, dann auf jeden Fall Konzentration und Nerven.

Auf den langen, sanft ansteigenden und abfallenden Schotterwegen des Schwarzwaldes fliegt das Diverge STR dahin, dass es eine pure Freude ist.

Auf den langen, sanft ansteigenden und abfallenden Schotterwegen des Schwarzwaldes fliegt das Diverge STR dahin, dass es eine pure Freude ist. Reifen, Felgen, Federung, niedriger Schwerpunkt und Geometrie spielen hier aufs Beste zusammen. Ab und an erfordert die geringe 42-11 Abstufung als schnellster Gang schnelleres Pedalieren, als mir lieb ist. Was auch das Future Shock nicht mag und mit leichtem Wippen quittiert – Zeit, doch etwas mit den Einstellungen zu experimentieren.

Wie gehabt, bringt das vollständige Umlegen des Hebels Ruhe, beseitigt aber auch einen Teil der Stoßdämpfung, die ich auf der Straße nicht vermisst habe, aber auf Gravel gerne behalten will. In der Mittelstellung bleibt minimales Wippen, vergleichbar mit etwas zu wenig Druck im Reifen. Am Ende finde ich nach dem Umstellen der Framepost auf „48“ (10 Minuten einfache Montage-Arbeit) und dem Hebel in der Mitte meinen Frieden auf Abfahrten und letztlich auch in der offenen Stellung bei allen anderen Gelegenheiten das Set-up, das für mich am besten passt. Wippneigung eliminiert, Komfort erhalten.

Unterm Strich fällt noch positiv ins Gewicht, dass der Future Shock-Komfort mehr Freiheit bei der Wahl des Reifendrucks lässt. Er kann ruhig etwas höher ausfallen, wenn das Gelände es nahelegt oder das Verlangen nach mehr Pannensicherheit es gebietet. Wer schon den schmalen Grat zwischen perfekter Bodenabtastung und Schwammigkeit in Kurven gesucht hat, wird das zu schätzen wissen.

Noch ein Wort zum Specialized Tracer-Reifen: Auf trockenen Böden mit dünner Schicht losen Belags ist er eine hervorragende Besetzung und stellt hier auch in den Kurven ordentlichen Grip her, liest den Boden gut und ist durch die Flexibilität auch komfortabel. Auch die Nasshaftung der Specialized T5 Mischung konnten wir ausgiebig testen und fanden nichts zu beanstanden. Auf Asphalt rollt der Tracer ebenfalls sehr leise. Aber auf den weichen Wegen des Schwarzwaldes kamen die flachen Stollen in Kurven schnell an ihre Haftungsgrenze. Unterm Strich finde ich, andere Reifen hätte besser zum Charakter des Diverge gepasst.

Meine Testfahrten bisher sprechen dafür, dass Specialized mit dem Future Shock vorne und hinten am Diverge STR die derzeit beste Gravel Fahrerfederung auf die Räder gestellt hat: Sie reagiert sensibel bei kleinen Stößen, greift auf mehr Federweg bei groben Schlägen zurück und ist auf Wunsch vollkommen ruhig gestellt sowie relativ leicht einstellbar auf Einsatzbereich und alle Fahrertypen. Für Langstreckenfans und Offroad-Graveller ein Gral (Verzeihung, Canyon)! Ob das „Paket Diverge STR“ für alle Fahrertypen passt, steht auf einem anderen Blatt. Die Fahreigenschaften des Bikes gehören wie gehabt zum ausgewogensten, was für gröberen Gravel zu haben ist und das STR erhöht noch einmal die Offroad-Fähigkeiten. Aber – abgesehen vom Preis – könnte die geringe Flexibilität bei den Schaltungen manchen Interessenten Abstand nehmen lassen, was dem Bike nicht gerecht wird.

Was sagt ihr zum neuen Specialized Diverge STR? Ist Federung am Sattel für euch ein Thema?

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